120.Boston Marathon

120.Boston Marathon
120.Boston Marathon
120.Boston Marathon

"A Taff Race"

 

Der Boston Marathon startet in Hopkinton einem ländlichen Vorort von Boston, wobei Vorort vielleicht ein bisschen zu weit hergeholt ist. Wer sich mit den ca. 800 Schulbussen von der Westseite des Boston Common abholen lässt, wird auf einer 45 minütigen Fahrt Richtung Osten zum Startbereich gefahren. Auf dem Weg zur Hopkinton High & Middle School dachte ich mehrmals: "Hoffentlich sind wir bald vor Ort, den ganzen Weg musst du noch zurück laufen. Halt an, es reicht!"

 

Bei unserer Ankunft im Athleten Dorf sind bereits die Läufer der Welle 1 und 2 Richtung Start unterwegs. Das Gedränge ist nicht mehr so groß und wir finden einen Patz im Zelt, so können wir es uns im Schatten gemütlich machen. Auch für die Letzten ist noch genügend Proviant vor Ort: Bagels, Riegel und Getränke für alle.

 

Die Toilettenfrage ist schnell geklärt. Die Warteschlangen vor den Dixis werden schon kürzer. Gegen 10:40 Uhr erfolgt der letzte Aufruf und wir gehen Richtung Runner's Corrals  bzw. Startlinie. Der Weg ist lang, ca. 1,1 km sind wir gemächlichen Schrittes, bei fast 26 Grad Celsius und Sonnenschein unterwegs. Auf dem Weg kann sich jeder noch mit Sonnencreme versorgen. Kurz vor den Corrals befinden sich nochmals Toiletten und eine Getränkestation. Alles sehr gut organisiert, einfach klasse.

 

 

Der Start / Die Strecke

Der Start / Die Strecke

Jetzt erfolgt jeden Moment der Startschuss, in meinem Körper empfinde ich ein angenehmes Kribbeln. Gleich darf ich los Laufen. Ein Blick zurück. Ich bin das Ende der Schlange! Nur etwa 50 Läufer starten noch hinter mir. Um mein Wunschziel zu erreichen, muß ich gut die Hälfte aller vor mir gestarteten Läufer überholen. Noch bin ich guter Dinge, das schaffe ich sicher, aber natürlich kann ich die nächsten Stunden noch nicht einschätzen.

 

Der Count down läuft, die letzten 10 sec werden über Lautsprechen runter gezählt, der Startschuss fällt und die "Karawane" zieht langsam an. Nach einiger Zeit trabe auch ich über die Startlinie und der Kampf beginnt. Start um 11:15  Uhr für die 4. Welle. Warm, bis 26 Grad Celsius, Sonne pur, da freut sich der Kreislauf. Zum Glück ist das Tempo im Pulk nicht zu hoch und ab Meile 2 gibt es die erste Verpflegungsstation. Erst Gatorade (nichts für mich) und dann Wasser, jeweils auf beiden Seiten, also auch hier kein Stress. Ab jetzt jede Meile Wasser trinken und kühlen, so viel wie geht.

 

Die ersten 8 km laufe ich in der Menge, immer links und gebe ständig "high five". Auch hier am Anfang der Strecke ist die Stimmung fantastisch. Bei km 10 ist genügend Platz und ich versuche mein Tempo zu finden. Mit einem Auge verfolge ich meinem Puls, bei dem ständigen Auf und Ab möchte ich nicht überpacen. Bereits hier fallen einige Läufer an den bergauf Passagen zurück. Gehen geht überhaupt nicht, die Zuschauer brüllen uns nach oben, denn nach jeder Steigung kommt "down hill."

 

Die nächsten 10 km ändert sich an der Stimmung wenig, überall Zuschauer, die Brüllen vor Begeisterung. Hier, bei km 20 wird es allerdings noch temperamentvoller. Die Schülerinnen des Wellesley Collage stehen mit ihren Schilder an der Strecke und animieren die männliche Läufer zu einem Stop. > Kiss me I am A phenomenal Woman<; > Kiss me hot Runners<; >Kiss me run sub Three<  An einige der netten Aufforderungen kann ich mich noch erinnern.

 

Ok, hier habe ich vielleicht zwei Minuten vergeudet! Naja, vergeudet war das sicher nicht. Gute Ideen müssen belohnt werden und die Damen benötigen ja auch Erfolgserlebnisse. Küsschen hier, Küsschen dort.

 

Die zweite Hälfte

Die zweite Hälfte

"Gut gestärkt" laufe ich jetzt auf der welligen Strecke weiter in Richtung Boston. Meine Oberschenkel werden bereits hart und der Caput rectum schmerzt, vielleicht ist es auch der Schneidermuskel. Zum "Glück" an beiden Oberschenkeln, also symmetrisch. Dann ist es ja nicht so schlimm, denke ich und nehme etwas Tempo raus. Die Stimmung an der Strecke einatmen und Spaß haben ist jetzt wichtig. Ablenkung kann Wunder wirken.

 

Bei Meile 17 warten unsere treuesten Fans. Hier hole ich mir nochmal ein Küsschen von meiner Lieben. Jetzt nur noch 9 Meilen, das wird schon.

 

Der vorhergesagte Gegenwind trifft uns bei Meile 18, angenehm kühlend und noch nicht so stark wie befürchtet. Ich nutze jetzt nur noch jede zweite Verpflegungsstation und trinke dafür jeweils einen Becher leer, Wasser zum kühlen benötige ich nicht mehr. Mental bereite ich mich auf die nächsten Steigungen vor, bald kommt der Heartbreak Hill.

 

Vor dem Heartbreak Hill (bei km 34) bereiten allerdings noch zwei weitere Steigungen einen erhöhten Pulsschlag, diese sind allerdings nicht so lange und ziemlich schnell bezwungen. Die Stimmung auf der Strecke steigt ein weiters Mal. Jetzt werden die letzten Körner verschossen! Soll ich etwas Tempo herausnehmen und bergab Gas geben, oder einfach so lange wie möglich die Pace halten? Ich nehme nochmal etwas Tempo raus und das ist gut so! Bergab kann ich Zeit gutmachen, ich laufe endlich rund.

 

Jetzt bin ich auf der Beacon Street, nur etwa 3 Meilen vom Ziel entfernt. Die Zuschauer stehen jetzt noch enger, in vier- oder fünfer Reihen und machen ein Riesen Spektakel (Tokyo kann sich hier eine Scheibe abschneiden), das beflügelt. Ich fühle mich wieder stark. Auf den letzten zwei Kilometer durch die Stadt ist der Jubel fast grenzenlos. Eine Unterführung ist die letzte Prüfung, dann nach rechts auf die Massachusetts Avenue und links auf die Boylston Street, das Ziel ist in Sicht. Die letzten Meter sind Adrenalin geladen. Die Ziellinie kommt näher.  Geschafft!!

 

Ich bin glücklich im Ziel. Durch das wellige Profil, die hohen Temperaturen und der starke Gegenwind war das wohl der härteste Major den ich gelaufen bin. Wegen der phänomenalen Atmosphäre allerdings ein Muß für jeden Marathonläufer. Ich habe die letzten Kilometer genossen. Vielen Dank Boston.

 

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